14. Januar – Die Polartaufe

Ein alter Seemannsbrauch besagt: „Wer in die Polargebiete reist oder den Äquator überquert, muss seiner Sünden bereinigt und durch die Taufe reingewaschen werden“. Nach und nach tauchten immer mehr Einschüchterungsplakate von Neptun, Poseidon, Thetis und Co. auf. Wir Täuflinge, die dieses Theaterstück bereitwillig mitspielten, versuchten, scheinbar in Angst und Schrecken versetzt, durch Schmeicheleien die Götter der Meere zu besänftigen. Doch trotz aller Geschenke, die den Göttern auf einem gebastelten und schön geschmückten Altar dargeboten wurden, tauchten immer wieder neue Plakate auf, die beispielsweise Haarschnitte (wirklich extrem hässliche Haarschnitte!) vorstellten, die in Neptuns Reich angeblich besonders angesagt sind und an denen keiner der Täuflinge voreikommen würde. Des Weiteren stellte sich für uns zu Taufende die Kleiderfrage, denn wir hörten täglich mehrmals den Ratschlag: „Zieh alte Klamotten an, die du am Ende wegwerfen kannst. Es wird ganz schrecklich werden!“

Der Tag der Taufe rückte näher, morgens um kurz vor 7 wurden wir mit Trompeten und Geschrei aus den Betten geholt, gebrandmarkt (Stempel auf der Stirn) und von der „Meerespolizei“ zum Frühstück geleitet. Neptuns Meeresfrühstück war ungenießbar! Zum Glück hatten wir uns alle am Abend davor heimlich ein Überlebenspaket zubereitet. In alten Arbeitskleidern wurden wir einzeln zur Taufe geführt. Der Priester verlas ein Gedicht, in dem der neue Taufname integriert war. Danach ging es durch den Taufparcours. Meine Brille hatte ich zum Glück abgegeben, denn ich wollte gar nicht sehen, was da so fürchterlich stank!!! Es wurde nass, es wurde kalt, es wurde staubig und roch permanent nach Fisch, eine kleine Haarsträhne wurde mir abgeschnitten, dann ging es kopfüber ins Taufbecken. Am Ende kniete ich vor Neptun. Er fragte nach meinem Taufnamen. Zum Glück erinnerte ich mich, denn sonst hätte ich den Parcours ein zweites Mal durchlaufen müssen und das wollte ich nun wirklich nicht.

Nun war ich also auf den Namen „BLOG-Pinguin“ getauft und vom Schmutz der gemäßigten Zonen bereinigt, gesalbt und darf auf Ewig die reinen und freien Gewässer südlich des Polarkreises zum Wohle der Forschung befahren. Reingewaschen habe ich mich am Ende allerdings selber, die Kleider sind inzwischen im Müll. Unser Bad stinkt immer noch nach Fisch. Dafür halte ich jetzt meinen Taufschein mit Neptuns Siegel in Händen!

Was im Detail passiert ist, weiß nur die Polarstern-Taufgemeinde. Erdgeborene Menschen sollen damit nicht belastet werden. Mein Gesichtsausdruck gewährt jedoch einen kleinen Einblick in die Qualen, die wir aushalten mussten.47.Taufe