22. Dezember – Atkabucht

Die Vorfreude ist groß, nur ein Eisberg versperrt und noch die Sicht auf die Atkabucht, in der wir anlegen werden. Meine Geduld wird wieder auf eine harte Probe gestellt. Der Eisberg ist größer als alle anderen, die wir bisher passiert haben. Seit 30 Jahren fährt das AWI nun auf Expedition hier her und noch nie hat ein Eisberg den Eingang in die Atkabucht versperrt.24riesenEisberg Atkabucht Bis um halb drei Uhr nachts habe ich auf der Brücke ausgeharrt, die letzte Ecke des Eisbergs war greifbar nahe, doch das Eis vor uns war so massiv, es ging nur meterweise voran. Unsere Wetten, wie viele Anläufe das Schiff noch braucht, um durchs Eis zu kommen, damit wir endlich um die Ecke schauen können, haben wir alle haushoch verloren. Anstatt 6-8 Anläufe wie wir uns das vorgestellt hatten, wurden es viel mehr. Bei ca. 25 habe ich aufgehört zu zählen, und um die Ecke schauen konnten wir noch immer nicht. Am nächsten Morgen war die Aussicht dafür umso schöner! Ein Panorama vom Feinsten: SONY DSCSchelfeis so weit das Auge reicht, bizarre Wolkenformationen, dramatische Lichteffekte und mittendrin die S.A. Aghulas II beim Entladen. Unsere beiden Helis waren schon vormittags im Dauereinsatz, während wir noch die letzen Meter Eis, die uns von der Eiskannte trennten, bewältigen mussten. Von 10-12 Uhr war ich zur Heliwache eingeteilt, d.h. von der Brücke aus Funkkontakt zu den beiden Helipiloten halten, Protokoll über Start und Landung zu führen und die Wetterdaten zu übermitteln. Der ‚Decktourismus‘, der seit heute verständlicherweise auf dem Schiff herrscht, fand nach dem Mittagessen seinen Höhepunkt. SONY DSCFast alle Expeditionsteilnehmer liefen aufgeregt auf dem Deck umher, um das Anlegemanöver am Schelfeis zu beobachten und die Neumayer-Crew, die kurz darauf eintraf, zu begrüßen. Die Entladungsarbeiten konnten beginnen. Vom Bug der Polarstern wurden Container entladen, vom Arbeitsdeck ging als erstes der Spritschlauch aufs Eis, denn das ‚Bunkern‘ (Umpumpen des Treibstoffs von der Polarstern in Container der Neumayer-Station) dauert fast drei Tage. Jeder ist mehrmals für je eine Stunde für die Tankwache eingeteilt, d.h. wir müssen rüber aufs Eis. Mit dem sogenannten Mammychair werde ich zu meiner Tankwache aufs Eis übergesetzt, denn man kann nicht einfach über eine Gangway hinüberlaufen. Der ‚Flug‘ im Mammychair vom Helideck über den meterhohen Abhang hinauf aufs Eis macht richtig Spaß. Dann ist es soweit: ich betrete antarktisches Eis und versinke direkt bis zur Wade im Schnee oder besser gesagt in kleinen Eisklumpen. Etwas unkoordiniert stapfen wir herum, erkunden die Gegend, immer in Sichtweite des Schiffes, und klettern dann auf den Tank hinauf, um unsere Wache anzutreten. Nina und ich haben einen der kleineren Dieseltanks erwischt, mit einem Fassungsvermögen von ca. 21000 Litern. Es dauert etwa eine Stunde bis dieser gefüllt ist. Für Notfälle hatten wir ein Funkgerät, damit nichts überläuft. Im Prinzip läuft alles genauso ab wie an der Tankstelle, nur um ein vielfaches größer und mit deutlich schönerer Aussicht! So lässt es sich aushalten – die 60 Minuten vergehen wie im Flug! Insgesamt müssen etwa 25 Container betankt werden, da die Neumayer-Station für das ganze kommende Jahr versorgt werden muss.24Tankwache SONY DSC SONY DSC SONY DSC SONY DSC
Bevor wir von Bord durften gab es selbstverständlich eine ausführliche Sicherheitseinweisung durch den Kapitän sowie den Fahrtleiter. Eine der wichtigsten Regeln sind die schwarzen Fahnen. Sie markieren gefährliches Gebiet. Eines der Fotos zeigt zwei dieser Fahnen, die einen Riss direkt an der Schelfeiskante markieren. Wer diese Stelle betritt, begibt sich in Lebensgefahr, da von der Eiskannte gerne mal ein Stück abbricht und dann geht es mindestens 15 Meter in die Tiefe. Wir sind verpflichtet 20 Meter von der Kante entfernt zu bleiben. Außerdem muss sich jeder, der das Schiff verlässt, in eine Liste eintragen. Das gleiche wenn man wieder zurück ist. So kann relativ schnell und einfach überprüft werden ob jemand fehlt. Im Ernstfall werden Suchtrupps losgeschickt. Außerdem herrscht seit wir ‚bunkern‘ absolutes Rauchverbot auf den Decks und natürlich auch auf dem Tankcontainer.