12. Dezember – 60° Süd

Der 60. Breitengrad ist ein besonderer Breitengrad, denn den darf man nicht einfach so passieren. Ab hier gilt der Antarktis-Vertrag. Dies ist ein internationaler Vertrag, der besagt, dass die Antarktis nur friedlich und für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden darf. Es dürfen also keine militärischen Übungen durchgeführt oder Bodenschätze abgebaut werden. Wer dieses Gebiet betreten möchte, benötigt eine Genehmigung vom Umweltbundesamt. Sprich, man muss ein langes Formular ausfüllen und genau begründen warum man in dieses Gebiet einreisen und was genau man dort machen möchte. Der Antrag war so kompliziert, dass ich ihn zusammen mit dem Fahrtleiter der Expedition übers Telefon ausgefüllen musste. Außerdem ist es Pflicht an einem Umweltseminar teilzunehmen, welches u.a. über das Verhalten in der Antarktis aufklärt. Letztendlich hält man eine Urkunde in der Hand, die lebenslange Gültigkeit hat und die Befugnis erteilt, die Antarktis zu betreten. Diese Urkunde muss man bei sich tragen, wenn man den 60. Breitengrad passiert.
Seit wir in Kapstadt abgelegt haben, fahren wir kontinuierlich nach Süden und die Tage werden immer etwas länger. Momentan geht die Sonne schon um 02:42 Uhr auf und um 21:05 Uhr unter. Sie scheint also fast 18 ½ Stunden.
Nadine aus der Klasse 6a hat sich über dieses Phänomen Gedanken gemacht und fragt sich, ob es sehr ungewohnt ist, wenn es immer hell ist:

helligkeit
Hallo Nadine,
viele Grüße von der Polarstern. Mein Name ist Florian Lesch und ich bin zweiter Offizier oder auch nautischer Wachoffizier hier an Bord. Damit bin ich quasi so etwas wie der Busfahrer, nur eben auf einem großen Eisbrecher. Na gut, ein bisschen mehr gehört da schon noch dazu, aber hauptsächlich bin ich eben doch der Steuermann, der die Wissenschaftler und deine Lehrerin, die Frau Brosch, von A nach B fährt. Wissenschaftlertaxi darf ich aber auch erst seit Juni fahren. Genau wie Frau Brosch bin ich also noch gar nicht in der Antarktis gewesen. Die Polarstern war ja davor im Norden, in der Arktis, unterwegs.
Deine Frage, ob es sehr ungewohnt ist, wenn es immer hell ist, kann ich dir trotzdem beantworten. Und ich kann dir sagen, dass es wirklich ganz schön komisch ist. In der Arktis habe ich immer von 8 -12 Uhr und von 20 – 24 Uhr gearbeitet. Und normalerweise ist von 20 – 24 Uhr, also am Abend ja immer alles dunkel. Dadurch, dass wir aber bloß ganz langsam in die Polarregionen fahren, werden die Nächte auch nur langsam immer länger. Da bekommt man das eigentlich gar nicht so richtig mit, dass es kaum noch dunkel wird. Und irgendwann wird es dann eben gar nicht mehr dunkel. Und bei uns auf den Kammern können wir zum Glück auch mal die Rollos zum Schlafen runter machen. So hat man dann doch das Gefühl eine Nacht zu haben und kann gut Schlafen. Und das Aufstehen macht jeden Tag viel mehr Spaß, als wenn es immer hell ist. Das kennst du doch bestimmt auch, oder?! Wenn du im Sommer zur Schule aufstehst, ist es ja auch schon fast hell draußen. Da geht man gut gelaunt zur Schule. Im Winter ist es beim Aufstehen noch immer dunkel draußen, da möchte man doch viel lieber noch länger im Bett liegen bleiben. Es ist also durchaus ungewohnt, aber ein gutes ungewohnt!

10-Minutenwerte der Bordwetterwarte vom 12.12.12 11:31 UTC

  •      Lufttemperatur    -0.8    °C
  •      Wassertemperatur    -1.4    °C
  •      Luftdruck    980.8    hPa
  •      Luftdruck, reduziert    983.1    hPa
  •      Wahre Windgeschwindigkeit    8.3    m/s
  •      Wahre Windrichtung    335.6    °
  •      Relative Windgeschwindigkeit    8.1    m/s
  •      Relative Windrichtung    12.0    °
  •      Relative Luftfeuchte    90    %
  •      Globalstrahlung    678    W/m²
  •      Höhe Wolkenuntergrenze    2112    ft
  •      Sichtweite    14132    m
  •      Position/Länge    -0.03790    °
  •      Position/Breite    -61.00793    °
  •      Schiffsgeschwindigkeit    0.7    kn
  •      Schiffskurs    191.5    °

 

5 Gedanken zu „12. Dezember – 60° Süd

  1. Wie weit hat sich das Eis in dem letzten Jahrhundert verschoben?
    Hätten Sie die gleiche Strecke, die Sie entlang fahren, auch vor 100 Jahren fahren können, oder hätte dort z.B. das Eis den Weg versperrt?

    • Liebe Pia,
      vor 100 Jahren hätten wir genau die gleiche Strecke in der gleichen Zeit auf keinen Fall fahren können. Teilweise ist es sogar für die Polarstern schwierig durchs Eis durchzukommen. Die Schiffe waren früher noch nicht so leistungsfähig wie heute. Deshalb musste die Reiseroute flexibel an die Eisbedingungen angepasst werden. Am einfachsten ist es für Schiffe zwischen Eisschollen entlang zu fahren. Wir müssen aber, da wir die Verankerungen der letzten Jahre aufnehmen wollen, ganz genaue Koordinaten ansteuern und somit teilweise durchs Eis durch. Dies wäre vor 100 Jahren so sicherlich nicht möglich gewesen.
      LG

    • Hallo Henriette,
      wir sind zwar sehr weit weg von zu Hause, aber unbekanntes Gebiet werden wir nicht betreten. Mit der Polarstern werden nun schon seit 30 Jahren Expeditionen gemacht und es fahren auch andere Forschungsschiffe in die Antarktis. Wir sind in sehr entlegenen Gebieten, aber unbekannt sind sie nicht.

  2. Wie viele Wochen bleibt es 24 Stunden am Tag hell? Und seit wann ist es so?

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