9. Januar – Der Kapitän

SONY DSCHerr Pahl ist seit 27 Jahren Kapitän. Seine Familie fährt seit 5 Generationen zur See. Eigentlich wollte seine Mutter, dass er Anwalt wird und in der Heimat bleibt. Herr Pahl hatte jedoch andere Pläne, lernte Maschinenbauer, heuerte als Matrose an, schloss daran ein nautisches Studium an, wurde Offizier und stieg bis zum Kapitän auf. Er steuerte Containerschiffe
durch tropische Gewässer und bekam 1995 das Angebot als Kapitän auf der Polarstern zu arbeiten. Dies ist eine besondere Herausforderung, da das Schiff nicht nur sicher von A nach B gebracht werden muss, sondern die Überfahrt auch mit den wissenschaftlichen Zielen vereint werden muss. Er ist sehr stolz auf das Schiff, und das zu Recht. Die Polarstern hat nun schon 27 Expeditionen in die Arktis und 29 Expeditionen in die Antarktis unternommen und seit ihrer Jungfernfahrt am 9. Dezember 1982 insgesamt 1 448 000 Seemeilen zurückgelegt. Sie hält als Mehrzweckschiff (Versorgungsschiff, Eisbrecher und Forschungsschiff) extremen Wetterbedingungen stand (Temperaturen bis zu -50°C) und liegt ruhiger im Wasser als herkömmliche Eisbrecher, da sie einen Tiefgang von 11 Metern hat und Stabilisatoren ausgefahren werden können, um die Schaukelbewegungen zu reduzieren. Ihr Rumpf ist aus doppelwandigem speziellem Stahl, da beispielsweise durch die Eisbewegung unglaubliche Kräfte entstehen können. Durch Wind und Gezeiten können Eisschollen so stark zusammengepresst werden, dass sie sich übereinander schieben und solch einen Druck auf den Schiffrumpf ausüben, dass die Polarstern, die 18 000 Tonnen wiegt, mitsamt dem Eis einen Meter nach oben gedrückt werden kann. Dies ist auf der letzten Winterreise tatsächlich geschehen. Ein Holzschiff oder auch ein weniger stabiles Stahlschiff, würde unter solchen Bedingungen auseinander brechen; die Polarstern hat dieses Ereignis jedoch ohne Schaden überstanden.

Herr Pahl, trägt als Kapitän nicht nur die Verantwortung für die Sicherheit des Schiffs sondern auch für die Sicherheit der Besatzung und der Wissenschaftler. Er muss viele Entscheidungen treffen und hierfür Situationen richtig einschätzen und beurteilen können. Die Sicherheit steht immer im Vordergrund. Oft ist viel Geduld gefragt, denn die Natur ist hier der Taktgeber und wir sind lediglich Gäste in der Antarktis. Außerdem ist durch Ungeduld noch kein Sturm besänftigt, noch keine Eisscholle zum Schmelzen gebracht und auch noch keine Strömungsrichtung geändert worden. In der Regel  ist die Wetterlage bekannt, da die aktuellen Wetterdaten und –vorhersagen mehrmals täglich von der Bordwetterwarte zur Brücke übermittelt werden. Somit bleibt genügend Zeit wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen und sich auf die vorherrschenden Bedingungen einzustellen. Es gilt abzuwägen, ob es sinnvoller ist beispielsweise einen Sturm, wie wir ihn zu Beginn der Reise erlebt haben, zu umfahren und kostbare Zeit (unter Umständen mehrere Tage) für diesen Umweg in Kauf zu nehmen und auf einige wissenschaftliche Messungen verzichten zu müssen, oder den Kurs beizubehalten und in einer sicheren Position zu warten bis das Tief vorüber ist (Abwettern). Der Kapitän hat sich in unserer Situation, da es die Bedingungen zugelassen haben, für das Abwettern entschieden. Sicherheitsvorkehrungen wurden getroffen und der Sturm unbeschadet überstanden. Dadurch ging nur ein Tag für wissenschaftliche Arbeiten verloren, der allerdings sowieso immer als Puffer eingeplant wird, da bestimmte Gebiete, wie beispielsweise auch die „Drake-Passage“ vor Südamerika, die wir noch passieren werden, für Turbulenzen bekannt sind. Man spricht nicht umsonst von den „roaring fourties, furious fifties und screaming sixties“ (gemeint sind die 40. – 60. Breitengrade).

Herr Pahl ist in jeder Situation und zu jeder Uhrzeit immer bereit seine Erfahrung und sein Wissen an die jungen Offiziere, Carola und Florian, weiterzugeben. Die Unterstützung des nautischen Nachwuchses ist ihm ein großes Anliegen, da die jungen Offiziere in keinem Klassenzimmer der Welt diese Erfahrungen, wie Eisbrechen, Verankerungen ansteuern u.v.m. machen können. Schließlich muss die nächste Generation irgendwann mal übernehmen und sollte bis dahin möglichst viele eigene Erfahrungen gesammelt und vom Wissen der Älteren profitiert haben.

Auch alle anderen sind auf der Brücke immer herzlich willkommen. Es herrscht eine angenehme, entspannte und gleichzeitig professionelle Atmosphäre. Häufig schreibe ich zwischen den Eiswachen, dort oben, bei wunderbarer Aussicht, gutem Kaffee und netter Gesellschaft an den Blogeinträgen und genieße dieses besondere Erlebnis in vollen Zügen.

Ein Manöver, bleibt ganz alleine dem Kapitän überlassen, das An- und Ablegen im Hafen. Dies war in Kapstadt, aufgrund des „Cape Doktors“ (so wird der starke Wind in Kapstadt genannt, weil er die Abgase aus der Stadt hinaus fegt), nicht einfach. Da der Hafen tagsüber aus Sicherheitsgründen aufgrund des Sturms gesperrt war, legten wir mit Verspätung ab. Das Ablegemanöver führte der Kapitän zusammen mit seinem 1. Nautischen Offizier sowie mit der Hilfe eines ortskundigen Lotsen durch. Die 2. und 3. Offiziere kümmerten sich um  das Ablegen an Bug und Heck, sowie die Herstellung der Leinenverbindung zwischen Schiff und Schlepper.

Noch weitere 5 Jahre wird der Kapitän für die Reederei F. Laeisz die Polarstern durch arktische und antarktische Gewässer navigieren. Für die Planungsarbeiten der Polarstern II, steht er der Reederei mit seiner langjährigen Erfahrung beratend zur Seite. Insgeheim hofft Herr Pahl, dass die Jungfernfahrt der Polarstern II noch in seine Dienstzeit fällt. Hierfür drücke ich ihm die Daumen!

Das Foto zeigt Herrn Pahl im Blauen Salon, kurz vor dem Interview für die amerikanische Dokumentationsreihe über Eisbrecher. Marcus trifft die letzten Vorbereitungen. Teile des Interviews bilden die Grundlage für diesen Blogeintrag.

Der Screenshot, zeigt eine Kameraeinstellung während des Interviews.

43.Captain Pahl

10-Minutenwerte der Bordwetterwarte vom 09.01.13 12:11 UTC

Lufttemperatur -1.4 °C
Wassertemperatur -1.7 °C
Luftdruck 966.7 hPa
Luftdruck, reduziert 969.0 hPa
Wahre Windgeschwindigkeit 9.9 m/s
Wahre Windrichtung 183.0 °
Relative Windgeschwindigkeit 9.9 m/s
Relative Windrichtung 22.2 °
Relative Luftfeuchte 100 %
Globalstrahlung 287 W/m²
Höhe Wolkenuntergrenze 429 ft
Sichtweite 3618 m
Position/Länge -45.85993 °
Position/Breite -64.38943 °
Schiffsgeschwindigkeit 0.3 kn
Schiffskurs 161.8 °

 

 

 

 

3 Gedanken zu „9. Januar – Der Kapitän

  1. Liebe Sabine !!
    Ich finde es total cool das du bei dieser forschung mitmachst.:):):)
    Wie seit ihr eigentlich auf diese idee mit der forschung über die antarktis gekommen???Wie viel Grad sind es ???

    • In der Antarktis wird schon seit Jahren geforscht. Es gab eine offizielle Ausschreibung für eine Lehrerbeteiligung. Ich mich schriftlich beworben und Glück gehabt! Da momentan Sommer in der Antarktis ist, ist es auch nicht sehr kalt. So um die -3°C im Schnitt. Der Wind kann aber bis zu -20°C kalt sein. Im Winter ist es dort unten richtig frostig!

  2. bitte an meinen neffen dr. boris dorschel grüsse von seiner „buckeligen verwandtschaft“ aus saarbrücken auszurichten.
    danke

Kommentare sind geschlossen.